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Tsugumi" von
Banana YoshimotoDieses Buch habe ich das erste Mal gelesen, da war ich gerade ein Teenager und habe wirklich jedes Buch von Banana Yoshimoto verschlungen. Neulich hatte ich mir dann ein neues Buch ausgeliehen, nämlich "Hard-Boiled, Good Luck". Das Buch fand ich ehrlich gesagt so lala, aber irgendwie wollte ich nicht glauben, dass meine Jugenderinnerungen mich dermaßen trügen. Also habe Tsugumi zur Hand genommen. Und auch diesmal war ich nicht enttäuscht.
Banana Yoshimoto versteht es, anrührige Geschichten zu erzählen ohne überzogen anrührig zu sein. Hier schildert sie das Schicksal der kränklichen, aber alles andere als schwächlichen Tsugumi. Jedoch aus dem Blickwinkel ihrer Cousine Maria, die während des Sommers aus Tokio in ihr Heimatdorf zurückkehrt. Sie verbringen einen heißen Sommer mit allen Höhen und Tiefen. Sie gewinnen neue Freunde, machen sich Feinde.
Das gesamte Buch ist geprägt von dem rebellischen, eigenwilligen Charakter Tsugumis. Diese war von klein auf an immer mal wieder ans Bett gefesselt und hat schnell den Vorteil ihrer Situation erkannt: ihre Familie behandelt sie mit der größten Nachsicht. Und dementsprechend egoistisch, mutwillig zerstörerisch sind auch ihre Handlungen. Sie macht wütend, und doch will sie dem Leser einfach nicht unsympatisch erscheinen. Ein faszinierender, strahlender Charakter in einer faszinierenden Geschichte. Ich finde Tsugumi mit ihrem unersättlichen Hunger auf das Leben einfach unglaublich inspirierend- jedes Mal aufs Neue.
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Sommerdiebe" von
Truman Capote"Anonymität machte einen Teil des Reizes aus, sie fühlte sich dann nicht mehr als Grady McNeil, doch gleichzeitig wusste sie nicht, wer an ihrer Stelle dort stand, [...]" Mit diesem Satz kann man eigentlich das gesamte Buch zusammenfassen, in dem das kleine Upperclass Girl Grady McNeil versucht, der Kühle ihrer Familie und ihres Standes zu entfliehen und dabei immer stärker in einen Sog gezogen wird, der anfangs noch erfrischend neu, aber am Ende eben doch nur beängstigend fremdartig und tief ist. Und am Ende merkt man, dass sie eben doch nur ein Mädchen ist, das mit der Situation, die aus ihrer Rebellion resultiert ist, überfordert ist. Wirklich überzeugend und bildhaft geschrieben, fehlt dem Buch doch etwas Unnennbares. Vielleicht ein befriedigendes Ende?
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Das Bildnis des Dorian Gray" von
Oscar WildeBeim dritten Anlauf habe ich es endlich geschafft. Ich habe meinen persönlichen literarischen Koloss bezwungen. Dorian Gray habe ich als Teenager angefangen, bin auch bis zum Tode Sybil Vanes gelangt, doch dann wurde mir Lord Henry mit seinen Paradoxen zu nervig, und ich habe das Buch erbost in die Ecke geschmissen. Einige Jahre später, es mögen drei gewesen sein, habe ich es erneut zur Hand genommen, und wieder war mir Lord Henry einfach zu zynisch. Doch ich glaube, endlich den Grund dafür herausgefunden zu haben: er spricht unser Empfinden an. Und dieses wehrt sich gegen das, was er sagt. Es stößt ihn ab. Man muss ihn erst leicht nehmen, um ihn erträglich zu finden. Und das kann man noch nicht, wenn man gefangen ist in den Idealen der eigenen Jugend. Diese habe ich zwar nicht abgelegt, aber dafür habe ich mir eine gewisse, für dieses Buch notwendige Gelassenheit angeeignet. Und somit bin ich um eine Erfahrung reicher, die ich nun nicht mehr missen möchte. Dorian Gray, aber vor allem der äußere Einfluss, der ihn zu dem gemacht hat, der er letztlich geworden ist, sind einfach faszinierend. Und es wirft einige Fragen auf. Am Ende habe ich nicht mehr glauben können, dass die Unschuld, die der Maler des berüchtigten Portraits, Basil Hallward, in seinem Modell gesehen hat, jemals vorhanden war. Und man fragt sich eigentlich nur noch: Warum lebst du Dreckskerl weiter?
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Die Freuden der Jugend" von
Denton WelchOrvil Pym. Das ist der Name des Hauptdarstellers dieses Buches. Dieser Name prädestiniert doch, geschlagen zu werden. Wenn man dann auch noch zart ist und einige sehr feminine Ansichten und Hobbies hat, dann kann man sich denken, wie Gleichaltrige auf den armen Namensträger in der Pubertät reagieren. Er hasst die Schule. Das erleben wir jedoch erst einmal nicht. Denn die Geschichte beginnt mit dem Anfang der Sommerferien, die er fernab von seinen Klassenkameraden mit seinem Vater und seinen zwei älteren Brüdern verbringt. Man hat nicht das Gefühl, dass viel passiert in dem Buch. Alles wird mit einer bemerkenswerten Sorgfalt geschildert. Man begleitet Orvil in seinem Versuch, sein Umfeld möglichst zu meiden, und doch seine Wirkung auf seine Umwelt zu verbessern. Er wird sich seiner selbst bewusster. Und doch, trotz aller Fortschritte, beginnt das letzte Kapitel mit seinen alten Ängsten: "Der letzte Ferientag war gekommen, und als Orvil erwachte, sank es ihm mit seiner kalten,schrecklichen Unausweichlichkeit ins Bewußtsein, und er fühlte sich wie abgestorben. Die Gegenstände im Zimmer hatten sich verwandelt. Schrank, Kommode und Stühle waren böse, hämische Beobachter und starrten ihn an in der schadenfrohen Gewißheit, daß er nun zurück in die Schule mußte. Regungslos hockten sie da, hartherzig, ohne eine Spur von Mitgefühl, und warteten darauf, das Zimmer endlich wieder für sich allein zu haben. Selbst die Daunendecke gab sich kalt und abweisend als Komplize zu erkennen." Was man aus dem Buch zieht: Selbst in der kältesten Familie gibt es Liebe. Fraglich ist, ob das auch heutzutage, gut sechzig Jahre später, noch immer der Fall ist.
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Washington Square" von
Henry JamesDieses Buch dreht sich um Catherine Sloper, eine reiche Erbin, die trotz verheißungsvoller Gene seitens ihrer Eltern weder Schönheit noch Klugheit zu bieten hat. Ihre Mutter starb kurz nach ihrer Geburt. Und diese kluge, bildschöne Frau bildete seitdem das Ideal Dr. Slopers, das er in seiner Tochter nicht wiederzufinden vermag. Weit davon entfernt, das offen zu zeigen, begnügt er sich jedoch mit sarkastischen Bemerkungen, von denen er - möglicherweise mit Recht - vermutet, dass sie diese sowieso nicht versteht. Erzogen wird sie von einer ewig jugendlich frischen, und ebenso jugendlich romantischen verwitweten Tante. Da wundert es, wie aus ihr ein ruhiger, sanfter Mensch werden konnte, den außer der Umgang mit anderen Menschen kaum etwas zu beunruhigen vermag. Und dann trifft sie ihn: Morris Townsend. Wunderschön, redegewandt, ein charmanter Müßiggänger. Und er interessiert sich für sie, die sie alles andere ist als wunderschön und redegewandt. Ihr Vater durchschaut ihn sofort, lässt den Dingen aber seinen Lauf, da er nichts Ernsthaftes befürchtet. Doch als sie dann ihre Verlobung mit dem jungen Mann bekanntgibt, da stellt er sich quer.
In diesem Buch wird eindrucksvoll geschildert, wie sich Catherine langsam von der Unterdrückung ihres Vaters emanzipiert, wie sie stur ihren Weg geht und am Ende doch ins Straucheln gerät. Ausgezeichnet wird auch dargestellt, in welchen Trümmern ein Mitgiftjäger seine Opfer hinterlassen kann, der mangels zu erwartendem Vermögen einen Rückzieher macht. Dieses Buch beschäftigt sich fast ausschließlich mit der Entwicklung Catherines, die Handlung wird nur so weit wiedergegeben, wie es für Catherines Entwicklung notwendig ist. Alles in allem ein bemerkenswertes, psychologisches Profil, das sehr feinfühlig erzählt wird.